Auf den Spuren von 1848/49 in Dresden

Tour Wilsdruffer Straße 18, 01067 Dresden, DE

An sechs Stationen in der Dresdner Innenstadt zeigen wir euch Bezüge zum Maiaufstand von 1849. An jeder Station gibt es eine historische Quelle und Einordnung, uns interessieren Akteure und Orte. Der Walk ist ein studentisches Projekt der TU Dresden und dem Dresdner Geschichtsverein e.V. Autoren: M. Seipold, S. Knorr, C. Mahrt, C. Förster

Autor: Dresdner Geschichtsverein e.V.

Dresdner Geschichtsverein

Dresdner Geschichtsverein

Website besuchen

3 Stationen

Station 1: Pressefreiheit! Die Dresdner Zeitung

Der Ort: Schlossgasse in der das „Hotel de Pologne“ stand, Zentrum des Maiaufstandes
Die Person: Der Journalist Ludwig Wittig
Die Quelle: Ausschnitt aus der Dresdner Zeitung, nach der Hinrichtung vom Robert Blum, vom 21. November 1948

Der Ort: Wir befinden uns nun auf der Schlossgasse. Ein Ort, der 1849 direkt im Zentrum der Unruhen lag. Auf dem Gefechts-Plan von 1849 sind alle Barrikaden eingezeichnet. Hier sieht man, dass es besonders um den Altmarkt und den Neumarkt herum zahlreiche Barrikaden gab. Die kämpferischen Auseinandersetzungen beginnen erst am 3. Mai 1849. Aber natürlich gibt es eine interessante und lange Vorgeschichte. An dieser Stelle beginnen wir mit einem Journalisten: Ludwig Wittig. Dieser hatte genau in der Schlossgasse seine Redaktion.

„Noch einmal ist es dem alten österreichischen Systeme gelungen, die verschiedenen Nationalitäten feindlich aufeinander zu hetzen, eine durch die andere zu zertreten; aber wird dieses treulose Spiel noch einmal möglich sein?“, schrieb der Dresdner Journalist Ludwig Wittig anlässlich des Wiener Oktoberaufstandes und mit Bezug auf seine Heimat Sachsen. Eine kritisch reflektierende, politische Berichterstattung mag aus heutiger Sicht normal sein, wenige Monate vor Wittigs Artikel waren solche Worte aber noch undenkbar.
Seit den Karlsbader Beschlüssen bestand in den Deutschen Staaten eine scharfe Zensur. Zeitungen druckten lieber romantische Fortsetzungsromane oder Rezeptsammlungen, als sich an politischen Themen die Finger zu verbrennen. Im März des Jahres 1848 sollte sich das ändern und Ludwig Wittig befand sich im Zentrum dieser Ereignisse.
Überall in Deutschland entlud sich nun die Unzufriedenheit der Bevölkerung über die reformunfähige Fürstenherrschaft auf großen Volksversammlungen. In Dresden kamen die Bürger im „Hotel de Pologne“ zusammen und stimmten über einen Forderungskatalog ab, der den sächsischen König Friedrich August II. (1797–1854) unter Druck setzen sollte. Einer der Vertreter der Versammlung: Ludwig Wittig. Ab hier verknüpft sich sein mit dem Schicksal der ersten demokratischen Bewegung in Dresden. Als Journalist und stellvertretender Chefredakteur der „Dresdner Zeitung“ war er an einem Prozess beteiligt, der bis auch heute essentiell für eine funktionsfähige Demokratie ist: der Politisierung der Bevölkerung.
Die Bevölkerung musste zunächst politisch gebildet und informiert werden. Die Konsequenz der Revolution von 1848 war, dass nun das erste Mal ein Großteil der Bevölkerung – zumindest der männlichen – per Stimmzettel über das Wohl und Weh des neuen deutschen Staates abstimmen konnte. Eine der ersten Forderungen der Bewegung war die Pressefreiheit und hunderte von Zeitungen sprossen während des Frühjahrs 1848 aus dem Boden. Von Konservativen bis zu Republikanern bemühten sich alle Akteure, einen möglichst großen Platz in der neu entstehenden politischen Öffentlichkeit zu erobern und die Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Die politischen Lager brachten so die Reden ihrer Vertreter in der Nationalversammlung in der Paulskirche unter das Volk oder polemisierten in bissigen Artikeln gegen den politischen Gegner. Zugänglich waren sie für fast jeden. Sie lagen in Kaffee-Häusern, Bibliotheken und Lese-Clubs aus oder wurden brüllend auf den Marktplätzen ausgerufen.
Ab jetzt wurden die Kämpfe um eine neue Staatsform auch auf dem Papier ausgetragen. Sollte es einen Kaiser geben, der über dem Parlament stand und die Regierung eigenverantwortlich berief? Oder sollte man die Volkssouveränität ernst nehmen und dem Parlament alle grundlegenden Entscheidungen überlassen? Wie groß sollte die Beinfreiheit der zahlreichen deutschen Staaten und ihrer vormals mächtigen Fürsten sein? Und nicht zuletzt die wohl komplizierteste und emotional sehr aufgeladene Entscheidung: Sollte der kommende deutsche Nationalstaat sich von der Nordsee bis an die Adria ausdehnen, wie manch einer träumte oder unter Preußischer Dominanz und ohne den Viel-Völker-Staat der Habsburger gebildet werden?
Die Dresdner Zeitung positionierte sich bis Ende 1848 als gemäßigt-demokratisch. Das schloss jedoch Artikel im republikanischen Sinne nicht aus. Denn die Zeitung betonte selbst, dass alle Meinungen Gehör verdienten und trug so zu dem damals neuen öffentlichen Meinungsbildungsprozess bei.
Über die großen Fragen der Zeit sollte, der nach neuem Wahlrecht gebildete Landtag 1849 mitentscheiden. Der kurze Wahlkampf fand auch in den Zeitungen statt. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Parteien, aber politische Vereine. Gewählt wurde am 15. Dezember 1848. Die Wahl stand natürlich auch unter dem Einfluss des zuvor hingerichteten Revolutionsstars aus Leipzig: Robert Blum (1807–1848).
Hören Sie dazu jetzt die Quelle: Einen Ausschnitt aus der Dresdner Zeitung vom 21. November 1848, Titelseite
"Dresden. (vorläufiger Bericht.) Gestern fand die Trauerfeierlichkeit zum Gedächtnisse Blums statt. der riesenhafte Zug an dem sich alle hiesige politische und mehrere andere Vereine sowie die Kommunalgarde und Militär (ob Offiziere ist ungewiß) betheiligten, konnte leicht aus 12 - 15000 Menschen bestehen. Staatsminister Oberländer und der Reichstagsabgeordnete Schaffrath gingen in demselben. Halb 6 Uhr war die Feier, die in durchaus würdiger Weise von Anfang bis zum Schluß abgehalten wurde, beendigt."
Und es geht weiter mit der Beilage Nr. 44:
"Um 8 Uhr war Versammlung des Vaterlandvereins (...) Dr. Leopold begründete in kräftiger, vom lauten Beifall der Versammlung (wie noch nie da gewesen) unterbrochener Rede folgende zwei Anträge: 1) eine Petition an das sächsische Ministerium zu erlassen, mit dem Gesuche den sächs. Gesandten in Wien sofort abzuberufen, ihn über sein Verhalten in Bezug auf die Verhaftung und Erschießung Robert Blum`s zur Rechenschaft zu ziehen, die Akten über den kriegsgerichtlichen Prozeß einzufordern und den Prozeß zu veröffentlichen; 2) eine Zuschrift an die deutsche Nationalversammlung zu Frankfurt a.M. zu erlassen, mit dem Gesuche, entweder mit aller ihr zustehenden Macht und Gewalt dahin zu wirken, daß Oestereich mit allen seinen Verpflichtugen sich an Deutschland anschließe oder die Abgeordneten aus den österreichischen Staaten aus der Versammlung auszustoßen. Zu dem ersten Antrage beantrage Pohle I. noch den Zusatz, den österreich. Gesandten in Dresden die Pässe auszuantworten. Alle Anträge wurden ohne alle Debatte sofort einstimmig angenommen, desgleichen auf Antrag Reinhardt I. beschlossen, eine Adresse an die preußische Nationalversammlung in Berlin zu richten, und darin ihrem energischen uns gesetzlichen Verhalten und ihren Beschlüssen gegen die inkonstitutionellen Maßregeln des verhaßten Ministeriums Brandenburg den Dank und die volle Zustimmung des Vereins auszusprechen."

In Ludwig Wittigs Redaktionsbüro waren bereits vorher die Fäden zusammengelaufen. Er hatte Ende 1848 Kontakte zu Revolutionären außerhalb Sachsens gesucht, da ihm immer klarer wurde, dass es keine Lösung in parlamentarischer, sondern nur noch in gewaltsamer Form geben konnte. Im „Hotel de Pologne“ war nicht nur an der Dresdner Zeitung, sondern auch an der Organisation von Waffen gearbeitet worden, und Verbindungen zu der polnischen Unabhängigkeitsbewegung geknüpft worden, deren Offiziere als militärische Berater fungieren sollten.
Nach dem Dresdner Maiaufstand konnte er in die USA fliehen. Hier kämpfte er weiter für die Sache der Volkssouveränität, während die deutsche Demokratie sich zu einem viele Jahrzehnte andauernden Winterschlaf niederlegte, aus dem sie erst in der Weimarer Republik wiedererwachen sollte.

Weitere Informationen zu Ludwig Wittig und seinem Wirken finden Sie hier:
https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/72052/86
Und im Dresdner Heft 158: Dresden 1848/49, 2/2024.





Station 3: Frauen?! Frauen auf die Barrikaden

Ort: Albertinum, damals das Zeughaus und Ort der ersten Auseinandersetzungen am 3. Mai 1848
Person: Pauline Wunderlich
Quelle: Ein Ausschnitt aus der "Frauen-Zeitung" vom 2. Juni 1849 hier ist eine Novellette "Pauline" veröffentlicht

Hier am Albertinum befindet sich eine von drei Gedenktafeln für die Ereignisse der Maiaufstände 1849 in Dresden. Diese fanden vom 3. bis zum 9. Mai 1849 statt. Auf der Karte hatten wir bereits die eingezeichneten Barrikaden gesehen, an denen die revolutionäre Bürgen, welche sich für demokratische Freiheiten und eine nationale Einheit Deutschlands einsetzten, gegen die königlich-sächsischen Truppen sowie preußische Verstärkungen kämpften.

Sieht man sich das Bild der Barrikade in Wien an sticht etwas deutlich heraus: Zwei Frauen, die an den Aufständen beteiligt sind. Auch für Dresden gibt es zwei Zeichnungen auf denen Frauen auf den Barrikaden gezeigt werden.
Wir finden an diesem Ort somit einen passenden Rahmen, um über die mutigen Frauen der Revolution von 1848/49 zu sprechen. Denn auch heute neigt man dazu, die Geschichte der Demokratie und der Revolution von 1848/49 auf mutige Männer und ihre Handlungen zu reduzieren und den Frauen, eine passive und unbedeutende Rolle zu zuordnen. Während bereits eine Vielzahl an Untersuchungen zu der Beteilung männlicher Akteure an der Revolution 1848/49 existieren, steht die Forschung zur Rolle der Frauen an der Revolution diesem noch weit nach. Jedoch gewinnt das Thema der Frauengeschichte im Zusammenhang mit der Revolution zunehmend an Bedeutung. Immer mehr werden auch einzelne weibliche Akteurinnen der Revolution in den Fokus gesetzt.
Hierfür wurden bereits von einigen Forscherinnen eine Definition und Kategorisierung der Handlungsmöglichkeiten dieser Frauen vorgenommen. Die Historikerin Kerstin Wolff unterscheidet beispielswiese in drei wesentliche Kategorien von Handlungsorten für Frauen in der Revolution 1848/49: Die geschriebenen, handelnden und gewaltsamen Orte.
Um Ihnen diese möglichst nahe zu bringen, werde ich diese drei Kategorien anhand zweier Dresdner Akteurinnen während der Revolution erläutern – der Schriftstellerin und Vereinsgründerin Auguste Scheibe sowie der Barrikadenkämpferin Pauline Wunderlich.

Wir beginnen hier mit Pauline Wunderlich. Diese wird in der Literatur immer wieder als prominentes Beispiel einer Barrikadenkämpferin während der Revolution 1848/49 hervorgehoben. Wunderlich ist somit eine Akteurin in der von Wolff definierten Kategorie der ‚gewaltsamen Orte“.
Zunächst gilt der Barrikadenkampf als typisch männlicher Ort der Revolution. Tatsächlich nahmen aber in verschiedenen Städten wie Dresden, Berlin, Wien, Trier und Frankfurt auch Frauen an den Kämpfen teil. Neben den weiblich zugeordneten Tätigkeiten wie Versorgung durch Verpflegung und karikative Hilfe beteiligten sich Frauen jedoch auch am Barrikadenbau, der Bewaffnung der Kämpfenden, der Herstellung von Munition und, wie im Fall von Pauline Wunderlich, auch an den Kämpfen selbst. Ihre Taten wurden von verschiedenen Zeitgenossen bereits kommentiert u.a. in der Frauen-Zeitung durch die Novellette 'Pauline' von Benno Haberland. Hier hören Sie nun ausgewählte Auszüge dieses Textes:

Quelle:
„[…] Pauline dachte an ihren Franz, der versprochen hatte, heute zeitiger als sonst da zu sein, und doch so lange ans sich warten ließ. — Bald sollte sie ja auf ewig die Seine sein, und nur eine Nacht lag zwischen dem längst ersehnten Ziele. Morgen sollte sie der Pfarrer am Altar segnen, und Gattin des schönen Maler Franz werden […] Aus diesen Betrachtungen riß sie das tobende Geräusch der vorüberziehenden Volksmenge — was war geschehen ? — Menschen - Massen, bewaffnet, eilen vorüber, stieren Blickes, wild stiegen die Haare um ihre Häupter — Kanonen- Donner ertönt von ferne — Sturm-Glocken läuten — es ist in der Residenz — und Franz noch nicht hier!? […] Revolution tönt es ihr ins Ohr — Franz ist ein Freigeist, er wird sich beteiligt haben am Aufruhr — er will eine neue, bessere Welt schassen helfen, hat er oft gesagt, und sie kennt ihn, er hält Wort. Da zieht eine Schaar muthiger Turner vorüber — Franz ist noch nicht da — ein Gedanke durchbebt sie — im Zimmer hängen die Turn-Kleider des Geliebten, sie kleidet sich in dieselben, küßt die Mutter, und eilt hinab […] Endlich haben sie die Stadt erreicht; Barrikaden erheben sich vor ihren Augen — Kugeln durchsausen die Luft, und die wilden Männer, die auf der Barrikade stehn, fürchten sich nicht — kühn laden sie die Gewehre, und richten die Feuerschlünde nach ihren Brüdern und Söhnen, den Soldaten, die ihre Feinde sind. Pauline zittert — sie späht umher, den geliebten Bräutigam suchend — ein Jüngling steht hoch oben auf der Barrikade […] sie erkennt den Jüngling mit rabenschwarzem Lockenhaupt — Franz ist es, der geliebte Franz. — Sie ruft ihn beim Namen, und Franz stürzt getroffen vom feindlichen Blei von der Barrikade. — Sie erhebt ein entsetzliches Geschrei, umklammert den geliebten Leichnam, küßt die kalten Lippen — ruft seinen Namen tausend Mal, aber Franz, der morgen ihr Garte werden sollte, hat sich mit dem Tode vermählt. Da erfaßt Verzweiflung ihre Sinne, und artet in Raserei aus — sie entreißt dem kalten Leichnam das Feuerrohr, ladet es mit wilder Freude, springt hinauf auf die Barrikade, und sendet die rächenden Kugeln hinüber — jede Kugel, die sie hinüberschickt, trifft einen Feind. […] Niemand thut ihr Einhalt, man fühlt eine heilige Scheu vor dem kühnen Weibe. […] Ein junger Officier drängt sich mit gezogenem Säbel heran an die Barrikade — Pauline erkennt ihn — es ist ihr Bruder — vielleicht der Mörder ihres Franz, denn er konnte Franz nicht lieben. Ein wildes Lächeln umspielt ihren Mund — sie legt das Rohr an — ein Druck, und der Bruder, des Königs Söldling, stürzt getroffen zu Boden ; jedoch mit ihm auch Pauline. Drei Soldaten-Kugeln rächten ihren Lieutenant“

Die Novellette ist sichtlich stilistisch aufgebauscht und es stimmen auch nicht alle Inhalte mit den Angaben Wunderlichs zu ihrer Beteiligung an den Barrikadenkämpfen überein, welche wir aus den Gerichtsakten kennen. Wunderlich beteiligte sich demnach nach eigenen Angaben tatsächlich an den als Turner verkleidet an den Barrikadenkämpfen, tatsächlich auch motiviert durch den Tod ihres Verlobten am ersten Tag des Aufstands. Allerdings starb sie nicht während des Maiaufstandes, sondern wurde nach den Kämpfen inhaftiert und ursprünglich zu lebenslanger Haft verurteilt, eine Strafe, die später zur Begnadigung im Jahr 1850 und ihrer Emigration nach Amerika führte. Haberlands Novellette entspricht somit – vermutlich absichtlich – nicht den wahren Gegebenheiten. Stattdessen wird hier die ausgeprägte Heroisierung Wunderlichs als weibliche Kämpferin deutlich. Ihr fast schon manisches Verhalten, welches auf dem Tod des Verlobten resultiert, ist dabei jedoch kritisch zu betrachten: Die aktiv kämpfende Frau war kein gern gesehenes Frauenbild, weshalb den Frauen häufig das Motiv der Trauer um den Bräutigam für die Beteiligung zugeschrieben wurde.

Bis zum jetzt Zeitpunkt haben wir uns mit den Ereignissen vor und während des Maiaufstandes vor allem mit der Seite der Revolutionäre auseinandergesetzt. Nun folgt eine nochmal eine andere Perspektive: Die Königs Friedrich August II.

Station 6: Arbeiterinnen! Frauen! Unterstützerinnen!

Ort: Wir stehen hier in der Große Brüdergasse, mit der Sophienkirche am Ende der Straße, hier wohnte eine Frau des Frauen-Vereins
Person: Auguste Scheibe
Quelle: Ausschnitt aus der Frauen-Zeitung

Wir schließen nun ab mit der Vorstellung der zweiten weiblichen Akteurin Amalie Auguste Scheibe. Geboren am 23. Januar 1824 in Dresden, war diese eine der bedeutenden weiblichen Figuren der demokratischen Bewegung während der Revolution 1848/49 in Dresden. Ihr politisches Engagement zeigte sich vor allem nach dem Dresdner Maiaufstand 1849.
Zum einen rief Scheibe zur Gründung eines Dresdner Frauenvereins auf. Dieser „Frauen-Vereins zur Unterstützung hilfsbedürftiger Familien zu Dresden“ wurde im November 1849 von sechs Dresdner Frauen ins Leben gerufen. Diese Vereinsgründung wird in der Frauen-Zeitung angekündigt, inklusive der Namen und Adressen aller Gründungsmitglieder. Aus diesem Grund befinden uns jetzt hier in der früheren Großen Brüdergasse bei der Sophienkirche, die dokumentierte Wohnadresse von Caroline Naumann .
Auguste Scheibe selbst lebte auf der Anderen Elbseite in der Martin-Luther Straße der Neustadt. Scheibe wird in den verschiedenen Quellen nicht nur als Gründungsmitglied, sondern auch als Vorsteherin des Vereins genannt. Hier agierte Auguste Schreibe sowie die weiteren Frauen des Vereins in der zweiten Kategorie Wolffs den „handelnden Orten“.
Ähnlich wie die Erweiterung der Pressefreiheit die Gründung neuer Frauen-Zeitungen ermöglichte, konnten sich nun auch Frauen mit der aufblühenden Vereinslandschaft des 19. Jahrhunderts neue Handlungsorte schaffen. Ein Großteil der Frauenvereine waren zunächst karikativ ausgerichtet und somit den Demokarten nahestehende Hilfsvereine zur Unterstützung der Revolutionäre und deren Familien gewesen. Die Gründung politischer Frauenvereine wurde stark eingeschränkt und kriminalisiert, da laut Wolff ein politisches Engagement von Frauen nicht erwünscht gewesen sei.
Auch der Frauenverein von Auguste Scheibe gliedert sich in diese Reihe der Hilfsvereine ein. Die Dresdner Frauen konnten hier aktiv im legalen Rahmen agieren und an der Revolution partizipieren. Dieser legale Rahmen wurde jedoch von einigen der Frauen-Vereine überschritten. Im Fall von Auguste Scheibe geschah dies u.a. durch die belegte Unterstützung bei der Fluchthilfe des am Maiaufstand beteiligten Ferdinand Kürnbergers.
Zudem war Scheibe als Schriftstellerin aktiv und schrieb für Louise Frauen-Zeitung. Sie war somit eine Vertreterin der dritten von Wolff genannten Kategorie der ‚geschriebenen Orte‘.
Bereits vor Ausbruch der Revolution hatte sich eine Presselandschaft entwickelt mit der nun auch Frauen als Herausgeberinnen eigener Zeitungen in Erscheinung traten. Die Frauen haben sich hier aktiv eigene Handlungsräume geschaffen, um ihre Stimmen und Ideen in der Presse zu verbreiten. Die Frauen-Zeitung von Louise Otto wird dabei häufig als das bedeutendste weibliche Presseerzeugnis der revolutionären Zeit bezeichnet.
Unter dem Pseudonym 'Georgine' und unter ihrem eigenen Namen veröffentlichte Auguste Scheibe mehrere Beiträge zu verschiedenen politischen Themen. Im Juni 1849 veröffentlich sie den Beitrag „Die Arbeiterinnen“, in welchem Auguste unter ihrem Pseudonym die prekären Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen und Dienerinnen anprangert und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Lage gibt. Über die Lage der Näherinnen und Stickerinnen schreibt Scheibe:

„Bei der angestrengtesten Arbeit von täglich 12 bis 14 Stunden verdient eine solche arme Arbeiterin, oft Ernährerin einer ganzen Familie, kaum 4—5 Ngr. — Von diesen wenigen Groschen muß sie die theure Miethe zahlen, sich anständig kleiden, sonst würde man ihr keine Arbeit anvertrauen, davon Hol; und Licht kaufen, und doch will sie die Ihrigen nicht verhungern sehen. Fragt man diese Unglücklichen, die mir bleichen Wangen, gerötheten Augen und ge- krümmten Nacken unermüdlich ihr ganzes Leben lang arbeiten, warum ihr Verdienst in so gar keinem Verhältnisse mit ihrer Arbeit steht, so ist die gewöhnliche Antwort: „Sonst war es besser, doch jetzt arbeiten so viele Damen von Stande, und so billig, daß sie alle Preise heruntergedrückt haben; wollen wir nicht eben so billig arbeiten, dann bekommen wir keine Arbeit, und so müssen wir uns fügen“

Als Lösungsvorschläge fordert Scheibe vor allem Associationen für die betroffenen Gruppen der Arbeiterinnen. Zudem ruft die Leserschaft zu mutigem und entschlossenem Handeln auf:

„verlieren wir den Muth nicht, wenn man uns lächerlich zu machen sucht, sondern legen kräftig Hand an, um die veralteten Schranken niederzureißen, so wird man bald einsehen, daß wir nichts, durchaus nichts wollen, als der steigenden Armuth und der daraus hervorgehenden Demoralisation unseres Geschlechts auf vernünftigem Wege entgegen arbeiten, und sich unserem Streben dann um so freudiger anschließen“

Neben Wolff machen andere Forschende noch weitere Handlungsräume auf, in denen Frauen auch passiv bzw. indirekt an der Revolution partizipierten. Hier wäre zum einen die Rolle der Frau als Ehefrau, Mutter und Geliebte zu nennen, durch welche sie auch indirekt auf ihr unmittelbares, privates Umfeld in der Ehe bzw. Familie Einfluss nehmen konnten oder auch die Anwesenheit von Frauen als Zuschauerinnen in den männlichen Institutionen wie der Nationalversammlung oder den Landtagen.
Insgesamt verdeutlichen all diese genannten Handlungsorte, dass die Partizipation von Frauen in dieser Zeit nicht als homogenes Phänomen betrachtet werden kann, sondern vielmehr als differenziertes und vielschichtiges Geschehen, das auf verschiedene Handlungsorte und soziale Kontexte verweist.